Moritz' Blog

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Vier Tage Zen-Meditationskurs am Benediktushof

Ein Tag im Mai. Zusammen mit meiner Mitbewohnerin Linda mache ich mich von Dresden auf den Weg nach Holzkirchen. Holzkirchen ist ein kleines Dorf in der Nähe von Würzburg und dort befindet sich das Ziel unserer Reise: der Benediktushof. Was nach einem erzkatholischen, bayrischen Kloster klingt, ist eines der größten Zentren für Meditation und Achtsamkeit in Europa. Dort wollen wir in den kommenden Tagen meditieren und an einem Einführungskurs ins Zen für junge Erwachsene teilnehmen.

Tag 1

Der Kurs startet mit einer lockeren Vorstellungsrunde, wo jeder kurz über seine bisherigen Meditationserfahrungen berichtet. Die 20 Teilnehmer sind eine bunt gemischte Gruppe aus Abiturienten, Studenten und Arbeitnehmern. Unser Kursleiter erklärt uns die Grundideen von Zen.

Zen ist keine Religion im klassischen Sinne, sondern mehr eine philosophische Richtung. Zen beinhaltet kein erwerbbares Wissen, sondern kann nur durch Meditation erfahren werden. Zen bedeutet, das Leben in seiner ganzen Fülle zu leben und ganz im Hier und Jetzt zu sein. Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich arbeite, dann arbeite ich. Wenn ich esse, dann esse ich. Eigentlich ganz einfach und doch so verdammt schwer!
Grundlage des Zen sind die Meditation im Sitzen (Zazen) und Gehen (Kinhin). Dabei geht es jeweils um die bewusste Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments ohne eine Beurteilung. Ein wichtiges Ziel des Zen ist es, diesen Zustand mit viel Übung aus der Meditation mit in den Alltag zu nehmen. Laut Zen müssen wir nicht suchen. Alles was wir benötigen ist schon in uns, wir sehen es bisher nur noch nicht.

Mit dieser Einführung starten wir in unsere erste Meditationssession. Meine Gedanken sind noch sehr gefüllt von Alltagsdingen. Die Planung des anstehenden Uniprojekts…meine To-do-Liste für die Arbeit nächste Woche…Mensch cool wieder hier am Benediktushof zu sein…oh ich sitze nicht ganz gerade…DONG. Die Klangschalte beendet die abendliche Meditation. Um 22 Uhr falle ich ins Bett, denn am nächsten Tag soll es früh losgehen.

Blick auf den Innenhof des Benediktushofs

Blick auf den Innenhof des Benediktushofs

Benediktushof
Der Benediktushof ist eine alte Klosteranlage, die nach einer zwischenzeitlichen Nutzung als Hotel zu einem Bildungszentrum umgebaut wurde. Neben den zahlreichen Seminarräumen gibt es einen großen Innenhof mit einer schönen Gartenanlage und einem großen, japanischen Zengarten.

Der Kerngedanke der Einrichtung ist die überreligiöse und überkonfessionelle Ausrichtung, was bedeutet, dass dort keine einzelne Weltanschauung gelehrt wird. Der Hauptfokus liegt auf Zen (welches dem Buddhismus nahesteht) und Kontemplation (welche dem Christentum nahesteht), daneben gibt es Seminare zu moderneren Ansätzen wie Führungskompetenzen und MBSR (mindfullness-based stress reduction). Oder wie es die Webseite des Hofs formuliert: „Hier können Menschen in Stille zu sich selber kommen, sich auf Wesentliches besinnen und mit lebenspraktischen Impulsen gestärkt in den Alltag zurückkehren.“

 

Tag 2

Um 5:30 Uhr klingelt der Wecker und schickt mich in den zweiten Tag Meditationskurs. Pünktlich um 6 Uhr beginnen wir mit Gehmeditation und tatsächlich haben es alle Teilnehmer pünktlich aus dem Bett geschafft. Wenn man die Beteiligung mit einer normalen Univorlesung um 9:20 Uhr vergleicht, ist das ziemlich beeindruckend… 😀

Es folgen im Wechsel mehrere Runden Sitz- und Gehmeditation bis es um halb 8 das wohlverdiente Frühstück gibt – in Stille. Stille ist ein Grundbestandteil des Kurses und wird auch bei den Mahlzeiten beibehalten. Eine wirklich besondere Erfahrung mit zehn Leute an einem Tisch zu sitzen und nur das Klappern des Geschirrs zu hören! Zen lebt von der Wahrnehmung des Hier und Jetzt und einem vollen Bewusstsein der aktuellen Tätigkeit – in diesem Fall eben Essen. Das Reden mit den anderen Kursteilnehmern würde uns davon abhalten wirklich achtsam zu essen. Am Anfang noch ungewohnt funktioniert die lautlose Kommunikation dann erstaunlich gut und niemand muss lange auf die gewünschte Schüssel oder Teekanne warten.

Nach dem Frühstück steht eine Stunde achtsames Arbeiten auf dem Plan. Auch hier findet alles in Stille und mit voller Achtsamkeit statt. Es ist spannend zu beobachten, was dieser „Zwang“ zur Arbeit mit meinen Gedanken anstellt. Ich bemerke Abneigung…boah ich habe keine Lust auf Putzen. Neben diesem zu erwarteten Gedankengang fallen mir allerdings noch wesentlich spannendere Dinge auf, die sich auf den Alltag übertragen lassen und mir zeigen, wie ich mir Arbeit vorstelle. Ich will eine Arbeit, die sinnvoll ist (viel Staub entfernen fühlt sich gut an, aber eine quasi saubere Fläche nochmal zu erwischen erscheint mir sinnlos und erzeugt Abneigung gegen die Tätigkeit). Ich will direkt am „Kernprodukt“ arbeiten und Verantwortung übernehmen (das Wischen des zentralen Meditationsraum, in dem wir immer meditieren macht Spaß und fühlt sich irgendwie bedeutsam an, dagegen ist das Wischen eines Wohnflurs nur so naja). Mit diesen und weiteren Erkenntnisse über mich selbst beende ich meine Arbeitszeit.

Weiter geht’s mit der nächsten Runde Geh- und Sitzmeditation, unterbrochen nur durch eine Mittagspause mit leckerem Essen und anschließenden Kaffee und Kochen. Ein asketisches Leben ist das am Benediktushof in Bezug auf das Essen auf jeden Fall nicht! 😀

So langsam kommen meine Alltagsgedanken zur Ruhe und die Meditation und Achtsamkeit zeigen ihre Wirkung. Meine Sinne beginnen sich zu schärfen, mein Blick weitet sich, das Essen scheint intensiver zu schmecken und mir sind schon lange nicht mehr so viele zwitschernde Vögel aufgefallen. Nachdem die Alltagsgedanken sich beruhigt haben, scheinen andere Gedanken ans Tageslicht zu kommen, für die im alltäglichen Informationsüberfluss sonst kein oder wenig Platz ist. Fetzenhaft denke ich an vergangene Erlebnisse in Asien, Menschen die ich lange nicht mehr gesehen hab oder an einzelne, unspektakuläre Dinge.

Und wieder eine Runde Meditation. Und noch eine. Dooong. 20 Minuten in Stille sitzen. Dooong Dooong. Wir gehen achtsam für fünf Minuten. Dooong Dooong. Wir sitzen wieder 20min in Stille. Zwischendurch habe ich ziemlich zu kämpfen, um bei der Sache zu bleiben. Immer wieder schweifen die Gedanken ab, ich hole mich wieder zurück in den Moment. Und das gleiche Spiel von vorn.

Der Abend endet mit einer Fragerunde, bei der jeder seine Fragen zu Zen und Meditation loswerden kann. Sehr, sehr erschöpft falle ich danach ins Bett: das intensive, mit sich selbst beschäftigen ist psychisch äußerst fordernd und auch mein Rücken macht sich nach dem vielen, aufrecht auf dem Kissen sitzen bemerkbar.

Mein Bett im Mehrbettzimmer für die dringend benötigte Regeneration

Tag 3

Die Tage am Benediktushof sind bewusst immer gleich gestaltet. Es heißt also wieder 5:30 Uhr aufstehen, 6 Uhr meditieren, frühstücken, arbeiten, meditieren, meditieren, Mittagspause, meditieren, meditieren, meditieren, Abendessen, meditieren.

Am dritten Tag verschwinden mit der Zeit auch die fetzenhaften Erinnerungen an dies und das und machen Platz für noch tiefere Gedanken und Emotionen. Der Tag ist ein Auf und Ab zwischen Müdigkeit und Unlust auf der einen Seite und innerer Ruhe und Glückseligkeit auf der anderen Seite. Zwischendurch habe ich eine Phase mit absoluter Stille in mir. Kein Gedanke flackert durch mein Gehirn, kein altes Gefühl macht sich bemerkbar. Ich sitze einfach nur da und kann mir in dem Moment nicht schöneres vorstellen. Ein kleiner Rausch ohne Rauschmittel. Der vielzitierte Satz „wahres Glück kann nur von Innen kommen“ kommt mir in den Sinn und ich habe das Gefühl ihn zum ersten Mal richtig zu verstehen. Dieser Moment, in dem ich absolut nichts mache und einfach nur bin, macht mich glücklich. Was soll ich denn da von außen noch brauchen?

Gegen Abend wird die Meditation sehr hart, denn das viele Sitzen hat seine Spuren hinterlassen. Knie und Rücken schmerzen und führen dazu, dass ich mich mehr damit als mit meinem emotionalen Innenleben auseinandersetze. Nachts sitze ich nach der letzten Meditation alleine im dunklen Speisesaal und bin wieder sehr zufrieden. Man könnte meinen, dass das alleine in Stille sitzen einsam macht, aber tatsächlich ist bei mir eher das Gegenteil der Fall. Ich fühle mich sehr geborgen.

Tag 4

Der letzte Tag beginnt wie immer, aber endet diesmal mit dem Mittagessen und anschließendem Kaffee und Kuchen. Beeindruckt von den letzten Tagen gibt es nun die Chance sich intensiv mit den anderen Teilnehmern über das Erlebte auszutauschen. Es ist spannend zu sehen, wie jeder seine ganz eigenen Erfahrungen gemacht hat.

Das obligatorische Gruppenbild nach vier Tagen gemeinsamen Meditierens in Stille:

Damit geht die Zeit am Benediktushof zu Ende und wir machen uns wieder auf den Weg Richtung Dresden und damit zurück in den Alltag.

Der Zenkurs war bereits mein zweiter Aufenthalt am Benediktushof und wieder eine ganz besondere Erfahrung. Es ist beeindruckend, wie schnell in der Stille das alltägliche Gedankenkarussell verschwindet. Ich durfte sehr viel neues über mich lernen und konnte danach einen Teil der Achtsamkeit auch mit in den Alltag nehmen. Mit der Zeit verblassen die gemachten Erfahrungen allerdings wieder und der Alltag hat einen voll und ganz wieder. Wie praktisch, dass ich mich im September wieder auf den Weg Richtung Holzkirchen mache.

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